Und dann war Heiligabend
auf der „Winterhude“. Die Männer der Freiwache lagen erschöpft in ihren
feuchten Kojen. Im Logis stank es nach schimmelndem Leder, Ölzeug und
verschmutzten Plünnen. Aus Sicherheitsgründen blieb der Ofen kalt. Ab und zu
murmelte einer der Männer im Schlaf oder schlug mit den Armen um sich. Es gab
keinen Weihnachtbaum, keinen Braten, keinen Kuchen, nichts, bis auf einen vom
Alten persönlich ausgeschenkten Schnaps. Jonas ging bei dieser Bescherung leer
aus, denn Schiffsjungen durften weder Alkohol trinken noch rauchen, sich nicht
in die Gespräche der Matrosen einmischen und hatten das Logis zu verlassen,
wenn es um ausgesprochene Männerthemen ging.
Mit
offenen Augen lag Jonas in der Koje. Er war so traurig, dass ihm das Wasser in
die Augen stieg. Gut, dass keiner meine Tränen sehen kann, dachte er.
Draußen,
eine Handbreit neben ihm, tobte die See. Daheim in der Nordheide würden sie um
den Baum herum sitzen, die Eltern, Schwestern und Oma und Opa. Sie würden
bestimmt an ihn denken. Vielleicht gab es Kaninchen- oder Entenbraten. Zu hause
hatte er sich gesträubt, die im eigenen Garten groß gewordenen Tiere zu essen.
Jetzt würde er dafür dreimal über den Großmast klettern. Keiner auf der Welt
war einsamer als er, keiner trauriger.
aus: Der
wundersame Weihnachtsbaum