Wellnesstag

 Abgesehen von dem leisen Gedudel aus den Lautsprechern ist es angenehm ruhig. Ich bin allein in der Salzgrotte. Die Gedanken schweifen in die Ferne.  Was tun gerade andere Menschen anderen Ländern? Zum Beispiel in Albanien?

Anastas wird wohl wieder auf dem Sofa liegen. Vielleicht auch nicht mehr. Er war recht schwach, als ich ihn vor fast zwei Jahren zuletzt gesehen habe. Vielleicht ziehen seine Frau und seine Tochter nun die Enkel alleine groß. Der kleine Mathias war schon in der Schule. Er ist der Liebling der Familie. Darunter hat sein etwas größerer Bruder zu leiden. Der große Bruder ist so etwas wie ein Vaterersatz. Er wollte nach Deutschland, um etwas Geld für seine Familie zu verdienen.

In den Bergen kümmern sich Quatip und einer seiner Söhne um die wenigen Tiere, die ihren Lebensunterhalt sichern sollen. Aber auch hier sorgt der große Sohn für das eigentliche Einkommen. Nach einem Unfall in Griechenland war er aber einige Zeit außer Gefecht. Hoffentlich ist er wieder genesen.

Ilir wird wohl immer noch abends die Netze in der Adria auslegen und am Morgen einen jämmerlichen Fang einholen. Natürlich unterstützt der größte Sohn die Familie, auch wenn er selbst bald eine eigene haben wird.

Den Unterschied zwischen dem Lebensstandard dieser Menschen zu unserem ist kaum zu verstehen. Sämtliche Menschenrechtserklärungen oder religiös fundierte Grundsätze über Gleichheit und Gerechtigkeit scheinen mit Füßen getreten. Ich zwinge mich dazu, meine Gedanken nicht noch weiter nach Syrien, Myanmar, Mali oder sonst wohin schweifen zu lassen.

„Die Welt ist eine Oase des Grauens in einer Wüste voll Langeweile!“

Diese Worte habe ich vor vielen Jahren irgendwo aufgegriffen. Ich wünsche mir oft, ich könnte dies widerlegen. Jedoch werde ich durch die täglichen Nachrichten immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Bleibt mir nur, in meiner eigenen Welt meine Taten bzw. Unterlassungen so zu gestalten, dass ich den „Frieden unter den Menschen“ fördere. Das sind große Worte, aber wenn wir diesen Frieden nicht erreichen, dann sind die Menschenrechtserklärungen oder religiös fundierte Grundsätze nichts mehr als leere Worthülsen. Dann nützt uns auch keine große Koalition, keine Verringerung der Treibhausgase und auch keine 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich.