ARBEITSKREIS  AUSLÄNDISCHE  MITBÜRGER  ÖHRINGEN E.V.

Auszug aus dem Jahresbericht 2006

 

„Wo kommen Sie denn eigentlich her?“

Bei mir verhält es sich ähnlich wie bei vielen Säugetieren. Wenn man z. B. einen kleinen elternlosen Welpen von einer Katzenmutter säugen lässt, vorausgesetzt die Katze nimmt das Hundebaby an, dann wird sich über kurz oder lang der kleine Hund für eine Katze halten und sogar das Verhalten von Katzen annehmen. Er wird die anderen Jungen der Katzen für seine Geschwister halten und später einmal ein großer starker Kater werden wollen.  

Nun gut, obwohl ich mich von der Verwandtschaft mit den Säugetieren nicht lossprechen kann, bin ich keine Katze und es ist auch kein großer, starker Kater aus mir geworden. Trotzdem scheinen der kleine Hundekater und ich ein ähnliches Problem zu haben.

Eigentlich bin ich Italiener, so stand es in meiner Geburtsurkunde, aber als ich als kleiner Junge nach Bayern kam, spielte dieser Umstand in meinem Leben eine noch eher untergeordnete Rolle. Da ich schon damals die meiste Zeit aus mir heraus die Welt betrachtete, anstatt mich selbst anzuschauen, störte es mich auch nicht, dass mein Haar und auch meine Haut etwas dunkler waren als die meiner Spielkameraden. Die schien es auch nicht zu stören, und weil nie einer eine Bemerkung in diese Richtung machte, weder im Kindergarten noch in der Grundschule, dachte ich, ich wäre Bayer.

Wie jeder bayrische „Bua“ hatte und trug ich eine kurze Lederhose, lernte in der Heimatkunde die Bayrische Nationalhymne und wusste mehr vom „Münchner Kindl“ als über Romulus und Remus. Kam ich mal auf Besuch in ein anderes Bundesland, bat man mich dieses oder jenes doch mal auf Bayrisch zu sagen, um sich danach, den Bauch haltend, fast kaputt zu lachen.

Später als ich so langsam die Pubertät hinter mir lassen wollte, ich konnte schon Bier trinken wie ein „Oberbayer“, kamen die ersten Fragen auf mich zu. „Wo kimmst jetzt na du her?“

Damals war die Antwort noch relativ egal, Hauptsache sie klang bayrisch und damit war die Frage meist auch, wenn nicht zur Zufriedenheit beantwortet, dann doch erledigt.

Auch mir fiel plötzlich auf, dass immer mehr Fremde auf unseren Straßen auftauchten, die sich tatsächlich schon allein durch ihr Äußeres unterschieden. Für sie wurde schnell eine eigene Sprache erfunden und eingeführt. „Wo du komme, wo deine Stadt?“ Fast alle der ersten Antonios, Marios, Luigis usw. kannten nur eine Antwort darauf: “Ick nix verstehe, keine Deutsch sprecke!“

Nach uns Italienern kamen Spanier, Griechen, Jugoslawen, Türken und heutzutage sieht man sogar nicht wenige Afrikaner in Deutschland. Gleichzeitig wurde jetzt auch mir häufiger die Frage gestellt: „Wo kommen Sie eigentlich her?“

Natürlich kann und darf man niemandem einen Vorwurf machen, wenn er Interesse zeigt, dennoch ist es für mich nicht ganz leicht diese Frage spontan zu beantworten, weiß ich doch nie, was genau der Fragende eigentlich wissen will.

Will er z.B. wissen, woher ich jetzt im Moment komme, so könnte ich meistens mit: “Von draußen“ oder „Von daheim“ antworten. Bezieht sich seine Frage auf meinen bayrischen Akzent, so würde ich ihm erklären, dass ich aus Murnau am Staffelsee komme und dies einer der schönsten Teile Oberbayerns sei. Fragt er aber wegen meines dunklen Teints, dann bin ich natürlich Italiener, der seine Wurzeln in einem kleinen Dorf bei Mailand hat.

Fragt man mich in Öhringen nach meiner genauen Herkunft, so gebe ich mich oft als „Italobayer“ aus, natürlich um die Verwirrung auf den Höhepunkt zu treiben.

Bei einem längeren Aufenthalt in Baden-Baden wurde mir die Frage nach meiner Herkunft laufend gestellt. Ich habe lange darüber nachgedacht, was wohl die beste und treffendste Antwort auf diese Frage sein könnte. Ich kam mir dabei vor wie der Katzenhund.

Ich war selbst sehr überrascht, als ich mich auf das erste Nachfragen spontan antworten hörte: „Ich komme aus Öhringen, das ist zwischen Heilbronn und Schwäbisch Hall.“

 

Romano Gaiera

 

 

 

 

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