Bei mir verhält es sich ähnlich wie bei vielen Säugetieren.
Wenn man z. B. einen kleinen elternlosen Welpen von einer Katzenmutter säugen lässt,
vorausgesetzt die Katze nimmt das Hundebaby an, dann wird sich über kurz oder
lang der kleine Hund für eine Katze halten und sogar das Verhalten von Katzen
annehmen. Er wird die anderen Jungen der Katzen für seine Geschwister halten
und später einmal ein großer starker Kater werden wollen.
Nun gut, obwohl ich mich von der Verwandtschaft mit
den Säugetieren nicht lossprechen kann, bin ich keine Katze und es ist auch
kein großer, starker Kater aus mir geworden. Trotzdem scheinen der kleine
Hundekater und ich ein ähnliches Problem zu haben.
Eigentlich bin ich Italiener, so stand es in meiner
Geburtsurkunde, aber als ich als kleiner Junge nach Bayern kam, spielte dieser
Umstand in meinem Leben eine noch eher untergeordnete Rolle. Da ich schon damals
die meiste Zeit aus mir heraus die Welt betrachtete, anstatt mich selbst
anzuschauen, störte es mich auch nicht, dass mein Haar und auch meine Haut
etwas dunkler waren als die meiner Spielkameraden. Die schien es auch nicht zu
stören, und weil nie einer eine Bemerkung in diese Richtung machte, weder im
Kindergarten noch in der Grundschule, dachte ich, ich wäre Bayer.
Wie jeder bayrische „Bua“ hatte und trug ich eine
kurze Lederhose, lernte in der Heimatkunde die Bayrische Nationalhymne und
wusste mehr vom „Münchner Kindl“ als über Romulus und Remus. Kam ich mal
auf Besuch in ein anderes Bundesland, bat man mich dieses oder jenes doch mal
auf Bayrisch zu sagen, um sich danach, den Bauch haltend, fast kaputt zu lachen.
Später als ich so langsam die Pubertät hinter mir
lassen wollte, ich konnte schon Bier trinken wie ein „Oberbayer“, kamen die
ersten Fragen auf mich zu. „Wo kimmst jetzt na du her?“
Damals war die Antwort noch relativ egal, Hauptsache
sie klang bayrisch und damit war die Frage meist auch, wenn nicht zur
Zufriedenheit beantwortet, dann doch erledigt.
Auch mir fiel plötzlich auf, dass immer mehr Fremde
auf unseren Straßen auftauchten, die sich tatsächlich schon allein durch ihr
Äußeres unterschieden. Für sie wurde schnell eine eigene Sprache erfunden und
eingeführt. „Wo du komme, wo deine Stadt?“ Fast alle der ersten Antonios,
Marios, Luigis usw. kannten nur eine Antwort darauf: “Ick nix verstehe, keine
Deutsch sprecke!“
Nach uns Italienern kamen Spanier, Griechen,
Jugoslawen, Türken und heutzutage sieht man sogar nicht wenige Afrikaner in
Deutschland. Gleichzeitig wurde jetzt auch mir häufiger die Frage gestellt:
„Wo kommen Sie eigentlich her?“
Natürlich kann und darf man niemandem einen Vorwurf
machen, wenn er Interesse zeigt, dennoch ist es für mich nicht ganz leicht
diese Frage spontan zu beantworten, weiß ich doch nie, was genau der Fragende
eigentlich wissen will.
Will er z.B. wissen, woher ich jetzt im Moment komme,
so könnte ich meistens mit: “Von draußen“ oder „Von daheim“ antworten.
Bezieht sich seine Frage auf meinen bayrischen Akzent, so würde ich ihm erklären,
dass ich aus Murnau am Staffelsee komme und dies einer der schönsten Teile
Oberbayerns sei. Fragt er aber wegen meines dunklen Teints, dann bin ich natürlich
Italiener, der seine Wurzeln in einem kleinen Dorf bei Mailand hat.
Fragt man mich in Öhringen nach meiner genauen
Herkunft, so gebe ich mich oft als „Italobayer“ aus, natürlich um die
Verwirrung auf den Höhepunkt zu treiben.
Bei einem längeren Aufenthalt in Baden-Baden wurde
mir die Frage nach meiner Herkunft laufend gestellt. Ich habe lange darüber
nachgedacht, was wohl die beste und treffendste Antwort auf diese Frage sein könnte.
Ich kam mir dabei vor wie der Katzenhund.
Ich war selbst sehr überrascht, als ich mich auf das
erste Nachfragen spontan antworten hörte: „Ich komme aus Öhringen, das ist
zwischen Heilbronn und Schwäbisch Hall.“
Romano Gaiera
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